Van nieuwsblog.burojansen.nl
Der Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) haben unter dem Namen „Projekt 6“ oder kurz „P6“ in Deutschland über Jahre hinweg gemeinsam mit der amerikanischen CIA ein Überwachungsprogramm betrieben. Nach Angaben des Verfassungsschutzes existierte die Einheit von 2005 bis 2010.
Wie das Magazin Der Spiegel berichtet, operierten die CIA-Agenten und ihre deutschen Kollegen aus einer getarnten Wohnung im rheinischen Neuss heraus. Zentrum des Projekts war nach Angaben des Spiegel eine gemeinsame Datenbank mit dem Namen „PX“. Darin sollen offiziell Informationen über mutmaßliche Islamisten und deren Umfeld gesammelt worden sein, die unter Terrorverdacht standen.
Über die Art der Informationen, den Umfang der Datenbank und die Kriterien, nach denen Personen aufgenommen wurden, gibt es keine konkreten Anhaltspunkte. Auch ob die Datenbank weiterhin existiert, geht aus den Stellungnahmen der Geheimdienste nicht hervor.
Der Fall des Journalisten Stefan Buchen zeigt aber, dass jeder ins Fadenkreuz von „P6“ kommen konnte, der Reisen an ungewöhnliche Orte unternimmt, fremde Sprachen spricht oder einfach mit den „falschen Leuten“ telefoniert. Buchen steht auf einer Liste mutmaßlicher Dschihadisten und Terrorverdächtiger, die die CIA im Jahr 2010 an die deutschen Geheimdienste weiterreichte.
Auf der Liste finden sich Buchens Passnummer, sein Geburtsdatum und seine Mobilfunknummer. Weiterhin vermerkt der Eintrag, Buchen habe mehrfach Afghanistan bereist und sei auf investigativen Journalismus spezialisiert. Der Reporter des Norddeutschen Rundfunks (NDR) war ins Visier der Geheimdienste geraten, nachdem er im Rahmen seiner Arbeit mehrmals in den Jemen telefoniert hatte.
Unklar ist bisher noch, ob die deutschen Geheimdienste dem Ersuchen der CIA nach weiteren Informationen über Buchen nachkamen. Angesichts der engen Zusammenarbeit der Dienste, die durch die NSA-Affäre bekannt wurde, ist aber anzunehmen, dass sie dabei keine Skrupel hatten.
Buchen selbst sagt, er habe „schon immer befürchtet“, dass er wie auch andere Kollegen auf Grund beruflicher Recherchen „auf den Radar der Dienste gerate“. Wie weit die Geheimdienste dabei tatsächlich gehen, hat er aber offenbar unterschätzt: „Dass man uns Journalisten so offen bespitzelt, ist schockierend.“
Der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar, geht davon aus, dass Journalisten trotz rechtlichem Schutz öfter ins Visier der Geheimdienste geraten. Er sagte dem ARD-Morgenmagazin: „So was kann ganz schnell passieren, wenn man in bestimmten Bereichen sich aufhält, wenn man mit bestimmten Leuten spricht, an bestimmten Orten ist, wo sich gegebenenfalls Terroristen oder Terrorverdächtige aufhalten, dass man dann in eine Datei kommt bzw. jedenfalls ins Blickfeld von Nachrichtendiensten.“
Er selbst habe von der Datenbank nichts gewusst, obwohl ihm eigentlich jede Einrichtung einer Datenbank mit automatisierter Datenverarbeitung durch staatliche Behörden gemeldet werden müsse, sagte Schaar. „Mir ist eine solche Datenbank nicht bekannt und auch nicht im Rahmen einer Dateianordnung gemeldet worden.“
Auch mehrere Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG), das für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig ist, sagen, sie seien nicht über das „Projekt 6“ unterrichtet worden. Bundesregierung und Verfassungsschutz behaupten allerdings, das PKG sei bereits früher über die Tätigkeit von „Projekt 6“ informiert worden. Auch im Zuge der jüngsten NSA-Affäre sei „P6“ noch einmal erwähnt worden.
Die widersprüchlichen Behauptungen lassen nur zwei Schlüsse zu: Entweder hatten die Geheimdienste tatsächlich weder den Datenschutzbeauftragten noch das PKG über das „Projekt 6“ unterrichtet und handelten außerhalb jeglicher Kontrolle. Oder das PKG wusste Bescheid und vertuscht dies nun, weil es sonst als scheindemokratischer Deckmantel der staatlichen Spitzelei dasteht.
Verschiedene Medien bringen das „Projekt 6“ mit der sogenannten „Sauerland-Gruppe“ in Verbindung. Dabei handelte es sich um vier Islamisten, die wegen versuchter Bombenanschläge inzwischen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind. Die Gruppe war im September 2007 von der Polizei festgesetzt worden, nachdem sie über Monate hinweg direkt unter den Augen der Sicherheitsbehörden agiert hatte. Nun stellt sich heraus, dass die CIA nicht nur den Hinweis auf die Gruppe gegeben hatte, sondern auch selbst auf deutschem Boden gegen sie tätig war.
Das Magazin Focus hatte bereits Ende Juni über ein CIA-Kommando berichtet, dass sich vor Jahren im Gebäude der Sparkasse Neuss eingerichtet habe. Ende 2006 seien mehrere Dutzend Spezialisten aus der US-Geheimdienstzentrale nach Deutschland eingeflogen worden. Darunter hätten sich auch nahkampferprobte Ex-Soldaten der Navy Seals befunden.
Bis heute gilt das Umfeld der „Sauerland-Gruppe“ als höchst dubios. Der Mann, der die Zünder für die geplanten Attentate lieferte, soll Kontaktmann des türkischen Geheimdienstes MIT gewesen sein, berichtete seinerzeit der Stern. Für die Radikalisierung der Gruppe war der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge vor allem ein muslimischer Prediger aus Neu-Ulm verantwortlich, der mehr als sieben Jahre lang V-Mann des baden-württembergischen Verfassungsschutzes gewesen sein soll.
Beachtlich ist auch, dass vor der Festnahme des Quartetts im sauerländischen Oberschledorn Hunderte von Polizeibeamten und Staatsschützern monatelang jeden Schritt der Islamisten verfolgt hatten, aber erst in angeblich letzter Minute eingriffen, um ein Attentat zu verhindern. Die Festnahme der „Sauerland-Gruppe“ wurde anschließend von Politik und Medien massiv genutzt, um für stärkere Sicherheitsgesetze und die Aufrüstung von Polizei und Geheimdiensten zu werben.
Die Enthüllungen über „Projekt 6“ reihen sich in die massive Aufrüstung von Polizei und Geheimdiensten ein, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 einsetzte. Die in der Verfassung verankerte Trennung von Polizei und Geheimdiensten, eine Lehre aus der Schreckensherrschaft der Gestapo, ist inzwischen weitgehend aufgehoben worden. In einem gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) arbeiten die Mitarbeiter von über 40 Sicherheitsbehörden eng zusammen. Das Bundeskriminalamt ist mit geheimdienstlichen Befugnissen ausgestattet worden und agiert außerhalb jeglicher Kontrolle.
Zugleich hat Deutschland die Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten anderer Großmächte verstärkt. Das belegen nicht zuletzt die Enthüllungen von Edward Snowden. Bei allen nationalen Gegensätzen und Interessenskonflikten sind sich die herrschenden Klassen weltweit einig, dass jede Opposition gegen Sozialabbau und imperialistische Kriege kontrolliert und wenn nötig verfolgt und unterdrückt werden muss.
Von Sven Heymanns
13. September 2013
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